Frühkastration beim Meerschwein

Geschlechtsreife der Meerschwein

Meerschweinchen werden im Alter von etwas 5 Wochen bereits geschlechtsreif - also zu einer Zeit, in der die Geschwister eines Wurfes meist noch nicht getrennt worden sind. Daraus erklärt sich die Tatsache, dass sehr häufig die jungen Weibchen schon tragend abgegeben werden.

Meistens werden die Böcke erst mit einem Alter von 5 - 6 Monaten kastriert, sobald sie ihre körperliche Reife erlangt haben. Das bedeute aber in der Gemeinschaftshaltung, dass sie bereits im Alter von 4 - 5 Wochen von Mutter und Schwestern getrennt werden müssen um ungewollten Nachwuchs zu verhindern. Damit entsteht eine bis zu viermonatige Wartezeit bis zum normalen Operationstermin und eine weitere Wartezeit von etwa sechs Wochen, die einen Sicherheitsabstand bis zur Integration in eine gemischtgeschlechtliche Gemeinschaft darstellt. Denn die kastrierten Böcke weisen oft bis zu 6 Wochen nach der Operation noch zeugungsfähige Spermien im Ejakulat auf.

Aus diesen Gründen wurde die Methode der Frühkastration entwickelt und in letzter Zeit immer häufiger auch angewendet: Die Kastration der Männchen erfolgt hierbei bereits mit einem Gewicht von 200 - 250 g im Alter von 2 - 3 Wochen, also bereits vor dem Eintritt der Geschlechtsreife.


Was spricht für die Frühkastration ?

Natürlich ist die Verhinderung von unerwünschten Nachwuchses ein wichtiger Grund, jedoch sprechen auch psychologische Gründe dafür: für die Kleinen ist es nämlich sehr wichtig, dass dadurch keine Trennung von Eltern und Geschwistern erfolgen muss. Dadurch entsteht keine Einzelhaft und das Gefüge der Gemeinschaftshaltung wird nicht verändert. Weiters treten bei den Jungtieren auch wesentlich weniger Nebenwirkungen bei der Operation auf - die Gefahr von Blutungen und dadurch bedingter Schwächung des Organismus werden auf ein Minimum reduziert, weil die regionären großen Blutgefäße auch erst mit Eintritt der Geschlechtsreife so richtig ihre Funktion aufnehmen.


Gründe gegen die Frühkastration:

In einigen Studien wurde beschrieben, daß Männchen, die alleine oder nur in Gesellschaft eines weiblichen Tieres aufwachsen, später unfähig sind, Konfliktsituationen aus dem Weg zu gehen. Im Gegensatz dazu lernen Böckchen, die in Gruppen aufgezogen werden, damit umzugehen. Dieser Prozess der sozialen Prägung findet erst nach dem Erreichen der Geschlechtsreife statt, wird also durch eine Frühkastration verhindert.

Weiters wurde beschrieben, dass nach einer Frühkastration das arttypische Gesamtbild des Tieres nicht mehr der "Norm" entsprechen könnte. Die Beine der Frühkastrierten könnten ein etwas ungewohntes Format annehmen könnten, was auf einen relativen Mangel am männliche Hormon Testosteron zurückgeführt wird. Dieses wird erst ab Eintritt der Geschlechtsreife in größeren Mengen produziert und hat einen spezifischen Einfluss auf den Epiphysenschluß der langen Röhrenknochen. In einer diesbezüglich angelegten Studie konnte nach der Kastration von Brüdern aus einem Wurf in unterschiedlichem Alter jedoch weder bei den Gewichtskurven noch beim optischen Vergleich auffällige Unterschiede zu unkastrierten Tieren beobachtet werden.


Es gibt also Gründe für als auch gegen eine Frühkastration - die Entscheidung sollte deshalb immer unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles getroffen werden. Was auch noch wichtig zu erwähnen wäre, ist, dass die Kastration keinerlei positiven Einfluss auf ein aggressives Verhalten zwischen Böcken oder auf die Vergesellschaftung zweier oder mehrerer Böcke haben muss !

Ich berate Sie gerne in der Ordination, ob diese Operationstechnik auch für Ihr Meerschwein passend wäre !


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